Grob regelwidriges Verhalten im Sport kann Schadensersatzansprüche und Strafverfolgung nach sich ziehen

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Das Oberlandesgericht Schleswig hat kürzlich entschieden (Urteil vom 19. November 2020 – 7 U 214/19), dass derjenige, der grob und vorsätzlich bei einem sportlichen Wettkampf gegen Spielregeln des Sportverbandes verstößt, dem Geschädigten aufgrund deliktischer Ansprüche (§ 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung)) Schadensersatz leisten muss. Der Beklagte hatte den Kläger in einem Fußball-Kreisligaspiel mit gestreckten Beinen von hinten „umgegrätscht“, ohne dass er dabei eine Chance gehabt hätte, den Ball zu spielen. Hierdurch hatte der Beklagte gegen die Fußballregeln des Deutschen Fußballbundes verstoßen und von dem Schiedsrichter eine rote Karte erhalten.

Das Gericht stellte im Einklang mit der vorherrschenden Literatur und Rechtsprechung zunächst klar, dass bei Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotential – wie Fußball – bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverstößen eine erhebliche Verletzungsgefahr besteht, davon auszugehen sei, dass jeder Teilnehmer solche Verletzungen, selbst mit schweren Folgen, in Kauf nimmt, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden wären. Der Geschädigte verhielte sich widersprüchlich, wenn er in einem solchen Fall den Schädiger in Anspruch nimmt, da der Geschädigte letztlich in gleicher Weise in die Lage des Schädigers hätte kommen können und sich entsprechend gegen eine Haftung gewehrt hätte.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine deliktische Haftung des Beklagten nach Auffassung des Gerichts nur in bestimmten Fällen bejaht werden. Entscheidend sind dabei der Grad des Regelverstoßes und das Maß des Verschuldens. Bei einem Fußballverbandspiel sind die Fußballregeln des DFB (insbesondere Regel 12) die entscheidenden Rechtsquellen dafür, wann ein Spielverhalten als haftbarer Pflichtverstoß anzusehen ist. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass der Beklagte durch sein Einsteigen ein „brutales Spiel“ und „grobes Foulspiel“ (vgl. Regel 12 der DFB-Fußballregeln) begangen hatte und dadurch ein erheblicher Regelverstoß vorlag. Nach Auffassung des Gerichts handelte der Beklagte zudem bedingt vorsätzlich, da er die schwere Verletzung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Für eine Haftung sei nach Ansicht des Gerichts mindestens grobe Fahrlässigkeit erforderlich, da bei einfacher Fahrlässigkeit selbst bei einem objektiven Regelverstoß in der Regel von einem stillschweigenden Haftungsschluss zwischen den Spielern auszugehen sei.

Ob der Beklagte wegen des Vorwurfs der von dem Zivilgericht in Bezug genommenen Körperverletzung auch einer Strafverfolgung ausgesetzt war, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Sollte er strafverfolgt worden sein, wäre nicht auszuschließen, dass Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte sogar von einer gefährlichen Körperverletzung, die ein Strafmaß von nicht unter sechs Monaten Freiheitsstrafe vorsieht, ausgegangen wären mit der Begründung, dass die Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug, nämlich mit Stollenschuhen, begangen wurde.

Bei Körperverletzungen im Sportbereich geht die strafgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass bei regelgetreuem und bei nur leicht fahrlässigem Regelverstoß die verursachte Körperverletzung wegen der (konkludent) erteilten Einwilligung der Sportler gerechtfertigt und damit nicht strafbar ist. Bei grob fahrlässigem oder vorsätzlich regelwidrigem Verhalten ist eine Rechtfertigung aber ausgeschlossen. Das Landgericht Köln hat dementsprechend in dem Strafverfahren gegen den Boxer Felix Sturm entschieden (Urteil vom 30. April 2020 – 112 KLs 6/19, nicht rechtskräftig), dass dieser sich u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung strafbar gemacht hat, weil er bei dem Boxwettkampf – entgegen der geltenden Anti-Doping-Regeln – gedopt war und die Einwilligung des Gegners keinen solchen Wettkampf erfasst (vgl. hierzu auch den Beschluss des OLG Köln vom 4. April 2019 – III-2 Ws 122/19, durch den das Verfahren vor dem LG Köln eröffnet wurde, Rn. 40).

Die dargestellten Urteile zeigen die Schnittstellen zwischen Sport- und Strafrecht, bei denen spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammenarbeiten müssen. Das gilt für Strafverfahren, in denen es um sportverbandliche Regeln und Anti-Doping-Vorgaben geht, genauso wie für zivil- und schiedsgerichtliche Verfahren, bei denen wegen des Regelverstoßes auch eine Strafverfolgung droht.







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